Epistemological Conditions of Theorizing Communication – Guest Lecture by Dr. Thomas Bauer, University of Vienna

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On November 8th, 2017, the IICM hosted Em. O. Univ. Prof. Dr. Thomas A. Bauer, from the Department of Communication at University of Vienna, Austria, for a guest lecture on “Epistemological Conditions of Theorizing Communication”. After the event, Prof. Bauer summarized his lecture for us:

I appreciated very much having been invited by Prof. Basilio Monteiro to the SJU College of Professional Studies last week to share with you my thoughts about weaknesses and strengths of theories on Communication. In order to have a critical view on the practice it needs a theoretical concept that enables to analyze the structures of social practice, but also the normative, critical, and empirical ones. This encouraged me to encourage you to reflect on the epistemological conditions of theorizing communication. Maybe my presentation was rather abstract and – eh! – theoretical. That’s why I think it could help you to keep in mind and to work with what you have heard, when I give you an abstract of it. Again in dense and theoretical language. In spite of that, I hope you enjoy it:

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Dr. Hannu Nieminen and Dr. Thomas Bauer

Kommunikation wissenschaftlich denken: Anregungen für eine Neuausrichtung.

1.

Die Medien- und Kommunikationswissenschaft, soweit man sie international generalisieren kann, hat es bisher nicht geschafft ein originäres Theorieprogramm aufzustellen. Aus vielerlei Gründen: Sie wollte eine möglichst objektive Wissenschaft sein, sie hat sich ohne langes Nachdenken möglichst praktischer (aus der Beobachtung der Praxis genommener) Konzepte bedient, vor allem solcher aus soziologischen, politologischen, ökonomischen und psychologischen Theorien. Diese Konzepte beschreiben die Praxis theoretisch, wie sie ist und wie man sie verfolgt, nicht wie man sie deuten kann oder könnte.

2.

Um das Alltagswissen von Kommunikation wissenschaftlich zu deuten, braucht es logische Modelle. Logik ist kein Dogma, sondern (ebenfalls nur) ein Denkmodell, allerdings so formalisiert, dass das Paradigma der Vernunft deutlich wird. Im Kontext empirischer Wissenschaft haben sich mathematische, technische und mechanische Denkmodelle als ziemlich praktisch erwiesen: sie arbeiten mit Standardisierungen des Verhältnisses von Ursache und Wirkung: Fünf plus fünf ist immer 10, unter allen Bedingungen. Solche Modelle bieten Sicherheit, Verlässlichkeit, vor allem Vor- und Nachrechenbarkeit (Prognose und Kontrolle). Das ist typisch für „praktische Theorien“.

3.

Kommunikation versteht sich als ein Konzentrat von Erfahrungen, die wir nur im Wege der Deutung beschreiben können. Solche Konstrukte aber wie Kommunikation, Gesellschaft, Religion und viele andere Konzepte, haben die Ordnung, in der wir sie denken, nicht an sich und aus sich, sondern aus der Sinn-Deutung unserer Erfahrung. Was die Welt (Realität) ist, ist eine Konstruktion im Wege der Kommunikation (Austausch Verteilung und Vergesellschaftlichung von Deutung). Wenn es also so ist, dass die Welt ist wie wir sie denken (Konstruktivismus), dann könnte (oder müsste) man die Welt, wenn man sie ändern möchte, anders denken: nicht nur als Faktum, sondern als Möglichkeit, nicht in der Logik der Sorge (Was müssen wir denken und tun?), sondern in der Logik des Experiments (Was können wir denken und tun?)

4.

Das stresst die Begriffe Kontingenz und Komplexität. Kontingenz besagt, dass nur das als real zu erkennen ist, was zugleich anders sein könnte als wir es wahrnehmen. Nichts muss (oder kann nur) so sein, wie es ist. Alles, was (jenseits der objektiven, natürlichen Welt) ist, ist eine mögliche Version dessen, was es sein (wie wir es denken) könnte. Komplexität ist der Begriff, der das Moment beschreibt, dass Verhältnisse nicht so sein müssen wie sie sind und dass deren Andersheit zu denken möglich ist. Weil sie („nur“) Realitäten des Verstehens sind, leben sie von ihrer Deutung (Hermeneutik).

5.

Daher muss man Kommunikation nicht nur im Modell der Partnerschaft oder im Modell der Reihe (Kommunikator – Impuls (Message) – Medium – Rezipient – Wirkung) denken, also nicht in der Logik der Mechanik einer Ursachen-Wirkung-Reihe, sondern kann sie auch denken in der Logik der Deutung der menschlichen Existenz (anthropologisch, existenzphilosophisch): Erst in einer kommunikativen Umgebung (sozial, kulturell, symbolisch, strukturell) erfahre ich, was es bedeutet, dass ich bin wie ich bin, dass ich tue , was ich tue, oder dass die Gesellschaft ist wie sie ist. Und wenn man so denkt, dann kann man auch anders, sogar dessen Gegenteil denken. Das ist der Wert philosophisch begründeter Wissenschaften: Komplexität (das mögliche Denken) zu produzieren, auf sie zu fokussieren, nicht zu reduzieren.

6.

Wenn man dies alles voraussetzt, dann kann man sich, um zu verstehen, was Kommunikation für das Leben des Individuums und der Gesellschaft bedeutet (oder bedeuten kann), das Konstrukt von Kommunikation anders (offener) vorstellen und dieser Vorstellung auch Wirklichkeitschancen geben – also die Paradigmata, die wir nützen, um Ereignisse, Verhältnisse oder Handlungszusammenhänge überhaupt beschreiben zu können, ändern (shift of paradigms).

7.

So ließe sich z.B. Kommunikation theoretisch – logisch nicht (nur) als soziales Modell der lückenlosen Übereinstimmung, sondern als eines der Bestimmung der Lücke (was fehlt mir oder dir ohne dich oder ohne mich?), nicht als Modell der Affirmation (du verstehst mich erst, wenn du mir recht geben kannst), sondern als Ressource der Überraschung (ohne deine Perspektive würde ich meine eigene nicht verstehen und deuten können) , oder nicht im Ordnungsmuster (Paradigma) des Handelns, aus dem sich die Vorstellung von Wirkung und Einfluss erklärt, sondern als Ordnungsmuster der wechselseitigen Beobachtung (sich verstehen im Modell der Beobachtung: ich weiß, wer du bist, indem ich beobachte wie du mich beobachtest), aus dem sich dann die Vorstellung eines wechselseitigen Interesses ableiten ließe.

8.

Nützt man das logische Potenzial der Hermeneutik (Verstehen, warum wir wie verstehen, was wir zu verstehen meinen), dann eröffnen sich im Kontext der Verwissenschaftlichung der alltäglichen sozialen Praxis Perspektiven, die möglicherweise die gegenwärtigen gesellschaftlichen Kommunikationsprobleme anders deuten und daher auch zu anderen Lösungen führen könnten. Denn Problem und Lösung sind zueinander konstitutiv. Problem und Lösung, insofern dieser Antagonismus in der Wissenschaft relevant ist, verhalten sich zueinander wie Topf und Deckel. Hat man eine Lösung (Deckel), dann weiß man erst, ob eine Lösungen sind erst solche, wenn man weiß welche Probleme (Töpfe) man sich machen muss, um die Deutung einer Lösung zu rechtfertigen.

9.

Das Konzept von Kommunikation (als Konzentrat der Beschreibung der sozialen Praxis) ist eben nur eine Beschreibungsmetapher, nicht das Ereignis (die Praxis) selbst. Das ermöglicht es zu sagen: Kommunikationswissenschaft ist nicht der Ort Kommunikation (neu oder besserwisserisch) zu definieren, sondern zu interpretieren, warum wir Kommunikation verstehen, wie wir sie verstehen oder meinen verstehen zu müssen oder verstehen zu sollen (normatives, kritisches, praktisches Paradigma). Da es vermutlich und möglich die Bestimmung des Menschen sein kann, eben nicht zu wissen, was es bedeutet, dass er ist wie er ist oder was es bedeutet, dass er tut, wie er es tut (vgl. Michel Foucault), braucht er das im Austausch (Dialog und Diskurs – vgl. Vilém Flusser) der Perspektiven mögliche Muster der Bestimmung von Wahrheit und Wirklichkeit. Und eben diese beiden Größen sind es, mit denen der Mensch jederzeit, an jedem Ort und in jeder Situation konfrontiert ist. Diese beiden Größen sind es, an denen jedwede soziale Praxis scheitern oder gelingen kann.

 

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